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Nr. 11
Ping! Der Looping Newsletter

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Der Newsletter der Looping Group


Ping! | 08. Apr. 2020

Coronavirus: Die Krisenkommunikation der Bundesregierung


von Dominik Wichmann | Follow

LOOPING GROUP Co-Founder und CCO


© Bundesregierung/Kugler

In wenigen Sätzen

Regierungssprecher Steffen Seibert schildert im exklusiven Ping!-Interview, nach welchen Prinzipien die Bundesregierung in dieser historischen Ausnahmesituation kommuniziert. Die Herausforderungen für das von ihm geleitete Bundespresseamt sind unter den Bedingungen der Redaktionellen Gesellschaft vielfältig: die Maßnahmen erklären. Die Bürger sensibilisieren. Aufklären gegen Fake News. Auf Facebook den Dialog mit der Community pflegen. Beispiele kollektiver Empathie sammeln und für alle zugänglich machen. „Wir müssen bereit sein", sagt Seibert, "jeden Tag in der Lage zu lernen und nachzusteuern.“ Gerade jetzt zeige sich, wie wichtig eine funktionierende Medienlandschaft für unsere Gesellschaft sei.

Ping!: Wie sieht die Kommunikationsstrategie der Bundesregierung in Zeiten der Corona-Krise aus?
 
STEFFEN SEIBERT: Unsere Aufgabe ist es, die Bürgerinnen und Bürger sowie die Medien transparent und umfassend darüber zu informieren, wie die Bundesregierung diese gewaltige Herausforderung für unser Land und Europa bewältigen möchte. Wir begründen den von uns eingeschlagenen Weg und werben bei den Bürgern um Verständnis und Mitwirkung. Denn das ist das Besondere an dieser Krise: Jeder und jede einzelne hat eine aktive Rolle in diesem Kampf gegen das Virus.
In diesen Wochen haben wir beinahe alle Kraft auf dieses eine Thema gelenkt. Die Corona-Pandemie in all ihren Aspekten und Auswirkungen beherrscht weitgehend unsere kommunikative Arbeit - von den Pressekonferenzen bis zu den sozialen Netzwerken und unserer Seite bundesregierung.de . Außerdem haben wir eine multimediale Kampagne gestartet.
Es ist eine kommunikative Aufgabe ganz eigener Art, denn die epidemiologische, wirtschaftliche, politische Lage ist in ständiger Entwicklung. Nächste Woche können ganz andere Fragen im Mittelpunkt stehen, können die Menschen ganz andere Fragen haben als heute. Wir müssen also bereit sein, jeden Tag in der Lage zu lernen und nachzusteuern.
 
Was machen Sie signifikant anders als zu normalen Zeiten?
 

Dem BPA geht es wie jedem Betrieb oder Unternehmen: Die Pandemie zwingt uns, anders zu arbeiten. Mehr als 90% unserer Mitarbeiter arbeiten zur Zeit mobil. Besprechungen finden überwiegend am Bildschirm oder am Telefon statt. Manche Arbeitseinheiten sind weit mehr belastet als früher, andere gerade lahmgelegt, weil ihre spezielle Dienstleistung im Augenblick wenig gefragt ist; sie packen also bei den stärker eingespannten Kollegen mit an. Ich finde, dass wir uns als Institution gerade als sehr lern- und anpassungsfähig erweisen und bin allen Mitarbeitern dafür sehr dankbar.
Zwei Themen haben in den letzten Wochen stark an Bedeutung gewonnen: Das Presseamt legt großen Wert darauf, seine Informationen barrierefrei anzubieten. Kein Mensch mit Behinderung darf von Informationen ausgeschlossen werden, vor allem dann nicht, wenn diese Informationen sich gegenwärtig als lebenswichtig erweisen können.
Insofern setzen wir jetzt deutlich mehr auf Untertitelung und Gebärdendolmetschung. Wir haben das schon lange vorangetrieben, sind jetzt aber in unseren internen Abläufen viel schneller geworden. Und wir sind noch nicht am Ziel, weitere Verbesserungen werden folgen.
Es ist in der Corona-Pandemie auch so wichtig wie noch nie, dass unsere Informationen auch diejenigen Menschen in Deutschland erreichen, die kein oder kaum Deutsch sprechen. Wir übersetzen daher alle wesentlichen Beiträge, Verhaltenshinweise, Kanzlerinnenauftritte in mehrere Sprachen: Englisch, Arabisch, Türkisch, Russisch, Dari, Farsi.
 
Welche Rolle spielt dabei die Bekämpfung von Fake News?
 
Wir müssen tatsächlich feststellen, dass die gegenwärtige Krise ein Nährboden für Desinformation ist. Das reicht von wüsten Verschwörungstheorien bis zu hanebüchenen Verhaltenstipps, von dem bewussten Kleinreden der Gefahr durch das Virus bis zum Gegenteil, also der Beschwörung des nahen Endes geordneter Staatlichkeit. Diese bewusst gesteuerten Falschinformationen dienen einem Ziel: Vertrauen zu untergraben, Menschen zu verunsichern, ihnen einzureden, der Staat oder „die da oben“ sage ihnen nicht die Wahrheit.
Wir haben genau deshalb unser Monitoring und unsere Zusammenarbeit mit den Ministerien bezüglich Falschmeldungen verstärkt. Wir haben unsere Kommunikation auf allen Kanälen ausgeweitet, um klar und transparent über die Maßnahmen der Bundesregierung zu informieren. Wir erstellen umfangreiche FAQs und haben die Frequenz unserer Kommunikation gerade in den sozialen Medien deutlich erhöht. Auch die Kabinettsmitglieder stellen sich nahezu täglich den Fragen von Journalisten in Pressekonferenzen oder Interviews.
Auf allen Kanälen sensibilisieren wir die Bürger für das Aufkommen von Desinformation und zeigen verlässliche Quellen auf, die ja beileibe nicht nur staatliche Quellen sind. Wir haben in Deutschland glücklicherweise öffentlich-rechtliche wie private Qualitätsmedien, die derzeit ihre Stärken auch ausspielen. 
 
Wie begegnet die Bundesregierung der Verbreitung von Fake News konkret, insbesondere in den sozialen Medien?
 
Wie gerade erwähnt haben wir die Frequenz unserer Aktivitäten in den sozialen Netzwerken einmal mehr erhöht. Außerdem gehen wir auf Facebook noch intensiver als ohnehin schon in den Dialog mit unserer Community. Unser Community Management stellt Missverständnisse, unwahre Behauptungen und absichtliche Desinformation richtig. 
Die Sensibilisierung der Bürger ist uns ein wichtiges Anliegen. Wir erstellen zum Beispiel Posts, wie man sich vor Falschmeldungen schützt bzw. wie man sie erkennt. Immer wieder gibt unsere Redaktion den Hinweis, auf seriöse Quellen zu achten und Nachrichten zweifelhafter Herkunft mit Vorsicht zu begegnen. 
 
Gibt es Hinweis darauf, dass Gerüchte und irreführende Informationen in den sozialen Medien bewusst verbreitet werden? Und wenn ja, wer sind die mutmaßlichen Urheber und Akteure?
 
Ein Teil der Falschnachrichten wird tatsächlich mit bösartigen Absichten gestreut. Sei es, dass Betrüger versuchen, nutzlose Wundermittel zu verkaufen oder dass Menschen auf dubiose Webseiten gelockt werden, um so deren Reichweite zu steigern.
Und dann gibt es die üblichen Verdächtigen, die versuchen, mit der Verbreitung falscher Nachrichten oder durch extreme Zuspitzungen, Auslassungen und andere Formen der Verzerrung unsere Gesellschaft zu destabilisieren. Es gibt Hinweise, dass Desinformationskampagnen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gezielt aus dem Ausland gesteuert werden, um die Legitimität der Regierungen in EU-Staaten zu untergraben. Der Europäische Auswärtige Dienst hat Beispiele dafür zusammengetragen und öffentlich zugänglich gemacht. Auch rechtsextreme Gruppen auf nationaler Ebene versuchen, die Pandemie für ihre kruden Verschwörungstheorien zu nutzen.
Zu bedenken ist außerdem, dass das größte soziale Netzwerk derzeit Whatsapp ist. Wie viel an falschen oder irreführenden Informationen, an Gerüchten in Messenger-Diensten und sonstigen geschlossenen Räumen geteilt wird, das kann niemand mit Sicherheit sagen. Wir wissen allerdings, dass Nachrichten, die dort geteilt werden, als besonders vertrauenswürdig gelten, weil sie aus dem direkten sozialen Umfeld kommen. 
 
Stimmen Sie sich mit anderen Ländern bei der Corona-Krisenkommunikation ab?

Der Bundesregierung ist sehr daran gelegen, die Corona-Krise in enger Partnerschaft mit den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zu meistern. Die Kommunikation über die jeweilige nationale Situation obliegt zwar jedem Mitgliedsstaat selbst. Es lohnt sich jedoch, bei den europäischen Partnern genau hinzuschauen, wie sie ihre Informationen aufbereiten, in welchen Formaten ihre Politiker kommunizieren. In Europa schauen wir einander immer bei der Arbeit zu und lernen voneinander.
Zum Themenkomplex Desinformation beteiligt sich die Bundesregierung am Rapid Alert System (RAS) der EU sowie am Rapid Response Mechanism (RRM) der G7, über die Analysen, Studien und Informationen ausgetauscht werden.
 
Kann sich die Bundesregierung im Bestreben nach einer wahrhaftigen Kommunikation die sozialen Medien auch zu Nutze machen und welche positiven Beispiele fallen Ihnen hier besonders auf?
 
Ja, das kann sie sehr wohl. In den sozialen Netzwerken finden sich wunderbare Beispiele gelebter Solidarität und gesellschaftlichen Zusammenhalts. Menschen organisieren sich hier zu Nachbarschaftshilfen, Mieter bieten an, für ihre älteren Nachbarn einkaufen zu gehen, Italiener verabreden sich zum Singen auf den Balkonen, Unternehmen bieten eigentlich kostenpflichtige Dienste vorübergehend gratis an, Pianisten geben Wohnzimmerkonzerte und streamen sie umsonst. Menschen spenden einander Trost und Zuversicht und es gibt kollektive Empathie für alle, die gegen das Virus arbeiten. Das Bundesgesundheitsministerium sammelt einige dieser Beispiele auf der Website zusammengegencorona.de.

Eine wunderbare Erfahrung ist der #WirVsVirus-Hackathon, den die Bundesregierung unterstützt hat. Mehr als 27.000 Freiwillige haben innerhalb kürzester Zeit über 1.500 nützliche und kreative Projekte oder Lösungen entwickelt, die im Kampf gegen die Krise durch das Coronavirus helfen sollen. Diese Freiwilligen haben den Hackathon nach unseren Informationen zu einem der größten und erfolgreichsten digitalen Gemeinschaftsaktionen überhaupt gemacht.
In den sozialen Netzwerken finden Sie auch wertvolle, lebensrettende Informationen. Ein halbes Land hört derzeit epidemiologischen Fachvorträgen zu, klassische Medien haben – zurecht – rekordverdächtige Abrufzahlen. Es offenbart sich also in der Krise noch mal mehr der Wert einer funktionierenden Medienlandschaft.
 
Welche erste Lehren ziehen Sie aus der bisherigen Kommunikationsstrategie für künftige Krisenszenarien? Was sollte in Zukunft anders laufen? Und was hat sich bewährt?
 
Mir scheint es in der Corona-Pandemie besonders darauf anzukommen, dass wir realistische Einschätzungen geben, statt falsche Hoffnungen zu wecken. Jeder würde seit Tagen schon gerne von uns hören, ein baldiges Ende der restriktiven Maßnahmen sei in Sicht. Es ist nicht leicht, die Menschen zum Dranbleiben und Durchhalten aufzufordern, wenn man sehr genau weiß, wie schwer das vielen fällt und welch große wirtschaftliche Sorgen sie sich machen. Aber es ist ehrlich, zu sagen, dass man heute noch nicht weiß, wie sich die Lage in 14 Tagen darstellen wird und Kriterien zu benennen, anhand derer Bund und Länder ihre Entscheidungen fällen werden.
 
Welche Lehren können andere große Organisationen in kommunikativer Hinsicht aus dieser Krise ziehen? Worauf kommt es Ihrer Ansicht nach essentiell an und was wird hingegen eher überschätzt?
 
Wie schon gesagt: Wir alle leben und lernen derzeit in der Lage. Da schiene es mir verfrüht, anderen schon Ratschläge zu geben. 
Eines kann man meines Erachtens jedoch jetzt schon sagen: Wir werden überall mehr Menschen brauchen, die sich mit Statistiken und Mathematik auskennen und in der Kommunikationsarbeit solche, die fähig sind, Statistiken und wissenschaftliche Informationen verständlich und anschaulich aufzuarbeiten. Das hat in den vergangenen Jahren eine geringere Rolle gespielt und tritt nun – und ich glaube für lange Zeit – in den Vordergrund.
 
Wie wird diese Krise Ihrer Ansicht nach die Art verändern, wie wir kommunizieren? Was wird sich verschieben, was und wer wird womöglich eine Renaissance erleben?  
 
Wir sehen: Es gibt ein riesiges Bedürfnis nach Informationen aus verlässlichen Quellen. Das sage ich mit Blick auf die Abrufzahlen unserer Angebote. Aber auch die TV-Einschaltquoten zeigen, wie sehr wieder die Nachrichten und Informationsformate der Sender gefragt sind. Ich würde mir sehr wünschen, dass auch die deutsche Zeitungslandschaft von dem gestärkten Bedürfnis, sich über das Infektionsgeschehen gerade in der eigenen Stadt oder Region zu informieren, profitieren könnte. Außerdem sehen wir wie im Brennglas: Der Umgang mit Fake News ist wichtig und wird wichtig bleiben. Wie erkennen wir diese, wie gehen wir damit um, wie machen wir auf verlässliche Quellen aufmerksam?

 

 

Zur Person

Steffen Seibert ist seit 2010 sowohl Sprecher der deutschen Bundesregierung als auch Chef des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung im Rang eines beamteten Staatssekretärs. Zuvor arbeitete er lange Jahre als Fernsehjournalist beim ZDF, unter anderem als Moderator der „heute“-Nachrichten und des „heute journal“. 
Steffen Seibert studierte Geschichte, Literaturwissenschaften und Öffentliches Recht an der Universität Hamburg und an der London School of Economics. Außerdem engagiert er sich als UNICEF-Repräsentant und ist Pate des Kinderhospizes Bethel.

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