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Nr. 39
Ping! Der Looping Newsletter

Für mehr Sinn und Verstand in der Redaktionellen Gesellschaft


Der Newsletter der Looping Group


Ping! | 30. Nov. 2020

OMR-Gründer Philipp Westermeyer: „Der virtuelle Austausch reicht nicht“


von Rüdiger Barth | Follow

Head of Content (Print) and Co-Founder LOOPING GROUP 


In wenigen Sätzen

Wegen der Pandemie musste er im Mai das OMR-Festival absagen, mit 60.000 Besuchern eines der größten Lagerfeuer der Redaktionellen Gesellschaft. Gründer Philipp Westermeyer und sein Team der Online Marketing Rockstars erlitten einen Millionenverlust - und mussten das Unternehmen binnen kurzer Zeit in weiten Teilen neu erfinden. Im exklusiven Ping!-Interview erzählt Westermeyer, welche Projekte OMR angestoßen hat, warum er mit seinem Team eine Software-Bewertungs-Plattform aufbaute, als Filmproduzent aktiv wurde und trotz der Krise guter Dinge ist. Haben Festivals nach Corona wieder Zukunft? Ja, sagt der OMR-Boss. Digitale Events könnten das Live-Erlebnis nicht ersetzen.

Ping!: Philipp, bis zur Covid-19-Pandemie war euer OMR-Festival eines der großen Lagerfeuer der Redaktionellen Gesellschaft, oder?
 

Philipp Westermeyer: Das würde ich so nehmen, ja (lacht). Es ist schon so, dass wir vorab intensiv kuratieren, welche Sender interessante und reichweitenstarke Botschaften haben, sodass auch außerhalb des Festivals genügend Menschen mitbekommen, was bei uns abgeht. Aber am Ende ist es so, dass auf dem Festival…
 
… mit zuletzt 60.000 Besuchern…
 
… wahrscheinlich jeder einen Social-Media-Account hat, und die meisten davon haben Hunderte oder gar Tausende Kontakte, ganz abgesehen von unseren Speakern. Da entstehen schöne Multiplikator-Effekte, und man kann schon sagen: Wir bringen diese Welt physisch zusammen. Oder brachten sie zusammen, bis Corona kam.
 
Viele Festival-Besucher beherrschen die Regeln der digitalen Kommunikation virtuos. Reicht nicht ohnehin der virtuelle Austausch?
 
In den letzten Monaten habe ich viele Digital-Events verfolgt und beobachtet, mit wieviel Mühe Angebote geschaffen werden. Meine Analyse fällt aber eindeutig aus: Nein, er reicht nicht. Durch die Folgen der Corona-Pandemie erkennt man erst, was es für eine Kraft hat, wenn Menschen sich persönlich austauschen. Es gibt unendlich viele Querverbindungen unter den Gästen, das kann man in der digitalen Welt kaum abbilden. Dazu fehlen die kostbaren Begegnungen, die spontan entstehen. Die Amerikaner sprechen von der Serendipity, die uns in jemanden reinlaufen und ins Quatschen kommen lässt.
 
Der Zauber des Zufalls.
 
Genau. Viel wird gerade experimentiert mit Formaten wie Chat Roulette, bei denen andere zufällig in den Screen reingespült werden. Das ist aber einfach nicht dasselbe. Ein erzwungener Zufall. Das sitzt du da und hoffst, dass etwas passiert. Aber so läuft das ja nicht im Leben. Da spielt das Gefühl eine Rolle, der Moment, was der oder die andere anhat, wie er sich bewegt, wie sie redet. Auf einem Groß-Event gibt es unendlich viele dieser Chat Roulette-Momente.

Werden digitale Events niemals ein Ersatz für Live-Events können?
 
Was gerade bei Twitch und anderen Plattformen entsteht, ist alles in Ordnung und gut gemeint. Für die nahe Zukunft sehe ich das aber nicht. 
 
Es fehlt das Erlebnis?

Ja. Live ist ein Erlebnis. Live wird auch wieder das Erlebnis werden, eines Tages. Gewisse Live-Momente sind nicht digitalisierbar. Es gibt körperliche Dinge, die sind nur offline wirklich erlebbar. Eine Umarmung zum Beispiel. Und das bleibt auch so. Das hoffe ich auch, dass es so bleibt!
 
Spricht da jetzt der Unternehmer oder der Mensch?
 
Der Unternehmer auf jeden Fall, denn alles, was offline stattfindet, ist unternehmerisch viel attraktiver, und da ist die Bereitschaft von Kunden, Geld auszugeben, viel größer. Die Kosten sind auch höher, klar, aber wirtschaftlich ist mehr Musik drin. Als Mensch sehe ich es genauso. Qua Job bin ich digital total aufgeschlossen, aber mir würde etwas fehlen, wenn wir nicht mehr reisen könnten, nicht mehr zusammen feiern könnten. Da kommen das Wetter hinzu, die Räumlichkeiten, die Stimmung, die in der Luft liegt – es fließen einfach viel mehr Elemente zusammen als wenn jeder Zuhause sitzt und auf den Rechner guckt. Das Sonnenlicht hat da keine Bedeutung. Das Sonnenlicht ist aber wichtig!
 
Für OMR ist diese Erkenntnis keine Enttäuschung, sondern eher Ermutigung, oder?
 
Natürlich, darüber sind wir sehr froh. Wir hatten in der alten Welt ja eine gewisse Plattform erarbeitet, die wäre komplett wieder weg, wenn das neue Normal ohne Live-Events auskommen würde. Vor Corona gab es schon viele Entwicklungen und Angebote, aber jetzt ist vielen etwas klar geworden. Keiner, der ein Festival wie OMR oder die SXSW kennt und jetzt die digitalen Events erlebt hat, würde sagen: Das ist toll und muss das neue Normal sein, das andere kommt nie wieder. Man sagt, wer einmal Amazon oder Zalando ausprobiert hat, wird da wieder bestellen. Große Events sind aber Happenings. Live heißt lebendig. Es geht um dieses Gefühl, bei etwas Besonderem dabei zu sein. Ich wäre übrigens auch dazu bereit: das Unternehmen neu und anders aufzubauen und dem Alten nicht nachzuweinen. Aber natürlich wäre mir viel lieber, wenn unsere Plattform in ein, zwei, drei Jahren wieder geschätzt und wirtschaftlich nutzbar wird.
 
Welche Reise hat OMR in den Monaten seit März hinter sich gebracht? Viele Live-Veranstalter haben schwer zu kämpfen.
 
Der erste Lockdown kam ja acht Wochen vor dem geplanten OMR-Festival. Wir haben deutlich mehr als eine Million Euro verloren, weil wir zur Vorbereitung schon viel ausgegeben hatten. Das war ein Rucksack. Aber im Team – wir sind mehr als 100 Leute – konnten wir den schultern. Die erste Prämisse nach dem Schock der Absage war: Alle Jobs hier durchbringen, möglichst niemanden entlassen müssen. Und das Motto war auch: Corona bleibt nicht für immer. Vielleicht war es Zufall, vielleicht war es Intuition, aber durch diese Ansage baute sich sofort ein Spirit auf, der uns auch ermöglichte Kollegen mitzunehmen, die plötzlich nichts mehr zu tun hatten. Das hat echt gut funktionert, alle haben sich darauf eingelassen. Ich war und bin stolz auf den Teamgeist, auf die Moral. Dazu durfte ich erleben, dass wir eine sehr gute Kundenbasis haben, viele Kunden waren sehr loyal. Aber natürlich mussten wir schnell Entscheidungen treffen. Und Ideen, die nur angedacht waren, sofort umsetzen: Uns mehr zu diversifizieren, uns unabhängiger vom Festival zu machen. 
 
Indem Ihr die unternehmerischen Chancen der Redaktionellen Gesellschaft auslotet?
 
Dazu war vorher zu wenig Zeit. Wir entwickelten dann fünf, sechs Projekte, die bald je zwei bis drei Jobs trugen. Das Podcast-Business trug vor Corona 12, 13 Arbeitskräfte, jetzt sind es mehr als 20. Wir kuratieren Speaker für digitale Panels und vermarkten diese; wir bieten digitale Masterclasses und Learning Experiences. Große Hoffnungen legen wir auf unsere Software Review Plattform, die seit ein paar Wochen live ist. Zugrunde liegt die Überlegung: Wie kann ein Messebesuch digital aussehen, was also leistet eine Messe eigentlich? Mit einem Avatar durch virtuelle Hallen zu sliden kann nicht die Lösung sein. Wir fragten uns: Wie informieren sich Firmen über Software – wie gut ist sie, wo sind die Schwächen, welche Features brauche ich wirklich? In unserem Netzwerk sammelten wir für den Start rund 2500 Reviews von Experten ein, die wir dann geclustert haben: nach E-Commerce-Software, Payment-Software, Kollaborations-Software, Videoconferencing-Software. Vor einer Investition kann man sich also bei uns auf entspannte Art schlau machen, welches Produkt im OMR-Netzwerk wie bewertet wird. Wir schaffen einen Touchpoint, wie bei einer Messe. Und natürlich können sich Hersteller hier einbringen. 
 
Wie kommt es, dass OMR seit voriger Woche auch als Filmproduzent in Erscheinung tritt?
 
Das kam aus der Leidenschaft heraus, aber auch aus einer strategischen Überlegung. Unser erster eigener Film ist eine packende Dokumentation über den Aufstieg und Fall des Managers Thomas Middelhoff. Eine super ungewöhnliche Wirtschaftsbiographie, und in Deutschland wird dieses Genre bislang kaum bedient. Wir wollen mit dem Film den abendlichen Sofaraum erschließen. Auf YouTube ältere Zielgruppen erreichen, die wir sonst mit dem Festival kaum erreichen und die sich einmal bewusst auf OMR einlassen. Middelhoff ist dafür ideal. Eine Marke für sich. Und eine umstrittene Figur, natürlich.
 
Was fasziniert einen Unternehmer wie dich, der selbst in der Öffentlichkeit Botschafter seiner Marke ist, an dieser Figur?
 
Mich beschäftigt schon länger die Frage, wie man sich öffentlich vernünftig und mit Augenmaß präsentiert. Da wir keine Schrauben verkaufen, sondern Kommunikation, verbindet sich mit meinem Gesicht hoffentlich ein gewisser Wert für die Firma. Bei Herrn Middelhoff, den ich persönlich mag, hat mich sein Verhalten in früheren Jahren als Chef großer Konzerne sehr interessiert. In den Medien gab und gibt es ja viele dieser Macher-Typen: von Henri Nannen und Rudolf Augstein bis Michael Arrington von TechCrunch. Das Geschäft mit Medienmarken ist oft personalisiert, auch bei Euch, bei Looping! Und da lohnt das Hinschauen. 
 
Du hast ein eigenes Magazin, einen eigenen Podcast, bist auch im Film präsent – wieviel willst du dir noch zumuten?

Das Gute ist: Das mache ich sehr, sehr gerne. Ich bin auf der kaufmännischen Schiene in die Medien hineingeraten und habe erst im Lauf der Zeit festgestellt, wieviel Spaß mir das Creator-Dasein macht. Aber ich muss mir schon häufiger sagen: Jetzt leg' mal den Rechner oder das Handy weg. 
 
Du bist auch Familienvater… Corona durchzustehen ist auch ohne Krise im Job für viele Menschen ein Kraftakt. Wie gehst du damit um?
 
Für eine Krise gibt es ja nie den optimalen Zeitpunkt. Ich bin in einem guten Alter dafür, 41 Jahre. Ich habe noch alle Kraft und kann volle Energie in die Aufgabe packen, unser Unternehmen nochmals richtig neu aufzustellen. Das Gute ist: Wir sind mit OMR schon groß genug, zugleich bin ich noch jung genug. Das ist die perfekte Mischung. Einige Firmen, die noch zu klein sind, gehen in diesem Strudel unter, das ist bitter. Andere Firmen, in denen der Gründer langsam den Exit realisieren wollte, werden voll erwischt, mit einer Geschwindigkeit, die sich keiner vorstellen konnte. Wenn es Corona zu unserer Lebenszeit nur einmal gegeben haben wird, hat es uns bei OMR zumindest zu einem vernünftigen Zeitpunkt erwischt, an dem wir damit umgehen konnten. Mit maximaler Energie. 
 
Welche Marken gehen mit der Krise bewundernswert um?
 
Wo fange ich an? Ich bin ja Sportfan… Wie die NBA ihr Saisonfinale in Florida gesteuert hat, das finde ich schon super. Alle Teams an einem Ort, alles lief rund. Das Ganze wirkte wie eine glückliche Familie, obwohl die Clubs ja härtesten Kapitalisten gehören. Es lief geräuschlos ab und war trotzdem beste Unterhaltung. Obwohl der Fokus krass war. Obwohl ganze Teams streikten und sich viele Stars des Basketballs der Black Lives Matter-Bewegung anschlossen. Riesige Budgets stehen auf dem Spiel, sehr viele verschiedene Interessen sind zu koordinieren. Und trotzdem haben die das souverän hinbekommen. Viele Teams gehören inzwischen Digitalunternehmern, vielleicht liegt es daran, dass die NBA erstklassig gemanagt ist – ganz anders als die USA gemanagt werden. 
 
Zum Abschluss die Frage an den gewieften Marktbeobachter Westermeyer: Was kommt 2021 im Content Marketing auf uns zu?
 
Ganz sicher dies: Im nächsten Jahr werden wir Deutschen einige Menschen erleben, die mit Podcasts Einkommens-Millionäre werden. Für dieses neue Sendermedium ist das endgültig das Durchbruchsjahr. Software-Themen sind schon gewaltig groß und wachsen weiter. Dazu kommt global das Cloud-Business, das noch immer gerade erst begonnen hat – die Großen wie Google, Microsoft und Amazon werden hier noch weiter zulegen. Bei den Influencern wird es so sein, dass sich jeder mehr und mehr seinen eigenen Feed zusammenstellt und sich so einen Content kuratiert, den früher Frauenzeitschriften oder Sportmagazine geboten haben – nur eben gespeist durch Individuen und abgebildet über Instagram. Man folgt also beispielsweise einem Account für Psychologie, einem für Fashion, einem für Beauty, einem für Partnerschaft. Und ich sehe auch den Trend, dass es immer weniger reine Medienfirmen geben wird, deren Kerngeschäft es ist, Zeitschriften oder Fernsehsender zu machen. Red Bull und Amazon waren da nur Pioniere. Medien werden zunehmend Features von Unternehmen, die mit dem Content andere Produkte verkaufen. 
 
Und was ist mit dem Journalismus?
 
Ich hoffe, dass Paid Content von der Nachrichtenlage profitiert und mehr Akzeptanz findet. Tiktok weist aber den Weg: Eines Tages gibt es fast nur noch Medien, die algorithmusbasiert Content ausspielen. Wenn meine Kinder groß sind, könnte niemand mehr da sein, der nach menschlichen Erwägungen und Bauchgefühl journalistische Produkte erstellt. Das hat aus Marketing-Sicht viele Vorteile. Als Mensch aber – und als eingefleischter Fan von handwerklich gutem Journalismus – mag ich mir das kaum vorstellen.

 

 

Zur Person

Philipp Westermeyer ist Gründer von OMR – einem 360°-Medienunternehmen in Hamburg mit Fokus auf Digital Marketing und Tech. Das jährliche OMR Festival ist eine der größten digital Konferenzen in Europa, mit über 60.000 Besuchern, internationalen Stars und hochrangigen Führungskräften aus großen europäischen und namenhaften internationalen Unternehmen. 
 
Neben dem Festival veröffentlicht OMR täglich Artikel über die digitale Branche auf omr.com. Außerdem produzieren Philipp und das OMR Team den OMR Podcast mit wöchentlich 50.000 Hörerinnen und Hörern, die größte Jobbörse der Branche, tiefe Analysen und Leitfäden in Form von Reports, eine Bewertungsplattform für Business Software sowie weitere thematische Spezial-Events. Gemeinsam mit der Messe Hamburg und Home United wird OMR ab 2023 zudem Co-Betreiber des Hamburger Telemichels. 
 
Vor OMR hat Philipp Westermeyer in den zurückliegenden Jahren gemeinsam mit seinen Partnern zwei Ad-tech Firmen aufgebaut und an Bertelsmann und Zalando verkauft.

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