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Nr. 31
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Ping! | 08. Sep. 2020

Sieben Tipps für bessere Wissenschafts-Kommunikation


von Bernadette Mittermeier | Follow

Editor LOOPING GROUP


©Unsplash/Ousa Chea

In wenigen Sätzen

Nie waren WissenschaftlerInnen so angreifbar wie in der Redaktionellen Gesellschaft. Doch gleichzeitig ist es für sie leichter denn je, sich selbst eine Bühne zu schaffen und die Stimme der Vernunft zu erheben. Wie können ForscherInnen diese große Chance nutzen? Eine Anleitung zum Einstieg in den Dialog.

Wissenschaft und Journalismus reden seit jeher oft aneinander vorbei. Aus triftigem Grund: Sie sind sich wesensfremd. Wissenschaftler erforschen Themen mit Präzision und Tiefe, Journalisten fahnden nach guten, emotionalen Storys. Wissenschaftler fürchten die Simplifizierung komplexer Sachverhalte, Journalisten unverdauliche Detailhuberei.

 
In der Corona-Krise tritt dieses Dilemma schmerzhaft zutage. Wissenschaftsfeindlichkeit wird gar von höchster Stelle befeuert. Dabei ist das Bedürfnis der Öffentlichkeit nach korrekten, sachlichen, verständlichen Informationen groß. Keine Frage, auch Wissenschaftler sind anfällig für Eitelkeit, Fachblindheit, brauchen Forschungsgelder. Aber im Strudel der Latrinenparolen und Verschwörungstheorien vermögen vor allem sie im Wortsinne Leben zu retten. 
 
Die Bedingungen dafür sind günstiger denn je. Die Redaktionelle Gesellschaft eröffnet eine nie gekannte Chance für eine zugänglichere, bessere Wissenschaftskommunikation. Einigen Wissenschaftlern ist es auch schon gelungen, ihre Stimme in der Öffentlichkeit zu platzieren. 
 
Die Erfolge des Podcast „Coronavirus-Update“ von Professor Christian Drosten sind beeindruckend – Top3 auf allen Podcast-Charts, über 41 Millionen Abrufe allein bis Anfang Mai, Publikumspreis und Grimme Online Award im Segment „Information“. Als die BILD-Zeitung versuchte, ihn unter Druck zu setzen, sagte er der Redaktion kurzerhand per Twitter ab. Der Virologe hat das Millionenpublikum der BILD-Zeitung nicht nötig – er hat sein eigenes. Auch andere Wissenschaftler locken Massen an: Harald Lesch fasziniert zehntausende Zuschauer für Physik und Klimaschutz, und Giulia Enders Buch „Darm mit Charme“ steht auch sechs Jahre nach seiner Veröffentlichung noch immer in zahlreichen Buchhandlungen im Bestseller-Regal. Die Chemikerin Mai Thi Nguyen-Kim bekommt heute für ihren bekannten YouTube-Kanal „maiLab“ die Goldene Kamera verliehen. International ziehen die Ted Talks von Wissenschaftlern wie Yuval Noah Harari oder Neil deGrasse Tyson ein Millionenpublikum auf YouTube an. 
 
All diese Wissenschaftler sind bereits heute zu Sendern ihrer eigenen Botschaften geworden. Sie brauchen keine fremden Medien als Bühne, sie erschaffen sich ihre eigene. Doch der Großteil der kommunikationswilligen Forscher hat nach wie vor große Schwierigkeiten, sich einem breiteren Publikum verständlich zu machen und viele sind meilenweit davon entfernt, sich eine eigene Community aufzubauen. Die zentrale Frage also lautet: Wie können Wissenschaftler und wissenschaftliche Organisationen in der Redaktionellen Gesellschaft die Kommunikationslücke aus eigener Kraft überbrücken?
 
Wir von der LOOPING GROUP konnten hierzu in enger Zusammenarbeit mit dem Human Vaccines Project in den letzten Monaten wertvolle Erfahrungen sammeln. Das Human Vaccines Project (HVP) ist eine internationale, unabhängige Non-Profit-Organisation mit Sitz in New York City. Ihr ehrgeiziges Ziel: das menschliche Immunsystem entschlüsseln. Als wir das Human Vaccines Project Anfang dieses Jahres kennenlernten, war uns noch nicht wirklich klar, wie revolutionär diese Idee ist. Als Laie geht man davon aus, dass die Forschung das Immunsystem längst erkundet hat. Dabei handelt sich um ein kaum ergründetes Rätsel – ein Rätsel, dessen Lösung die Medizin grundlegend verbessern könnte: Impfstoffe könnten deutlich schneller entwickelt, Krankheiten wie Alzheimer, Krebs und HIV endlich besser behandelt, die nächste Pandemie verhindert werden.
 
Die Zutaten einer guten Geschichte waren bei HVP alle vorhanden: Sympathische, brillante Wissenschaftler von Weltrang – Nobelpreisträger und Harvard-Professoren – schließen sich zu einem internationalen Team zusammen, um die Menschheit besser vor den schlimmsten Krankheiten zu beschützen. Doch die Kommunikation dieser Mission gestaltete sich zunächst schwierig: Die Organisation, die Methoden, die Forschungsergebnisse, das menschliche Immunsystem selbst – alle Bausteine sind komplex, Faktentreue und Emotionen mussten in Einklang gebracht werden. Offen gesagt: Daran arbeiten wir noch immer, bei jeder Pressemitteilung, bei jedem neuen Detailprojekt. Aber nach monatelanger Kleinarbeit haben wir mittlerweile sieben Regeln definiert, die uns die Kommunikation wesentlich erleichtern, und die wir hier vorstellen möchten:
 
Erstens: Setze dir klare Ziele.

Angenommen, du bist ein Mediziner, der an einem Impfstoff gegen Corona forscht. Was möchtest du mit deiner Kommunikation erreichen: Willst du Forschungsgelder sammeln? Eine Community mit anderen Wissenschaftlern aufbauen, um schneller Daten auszutauschen? Willst du deine Mitmenschen aufklären, warum Masken, Abstand halten und sich die Hände desinfizieren sinnvoll ist? Willst du deine Regierung beraten, damit sie mit klugen politischen Entscheidungen die Pandemie eindämmen kann? Wozu möchtest du dein Publikum auffordern: zum Nachdenken, zum Handeln, zum Kaufen? Mach dir deine Ziele bewusst und konzentriere dich auf sie. 
 
Zweitens: Kenne dein Publikum. 

Wen möchtest du erreichen, welches Wissen kannst du voraussetzen, wo und wie informiert sich deine Zielgruppe und welche Fragen hat sie? Beim Human Vaccines Project haben wir zu Beginn festgestellt: Eine breit angelegte Aufklärungskampagne über das Immunsystem ist weder zielführend noch umsetzbar. Unsere Zielgruppe ist viel spitzer: Wir möchten Wissenschaftler und innovationsfreudige, mutige Philanthropen und Stiftungen ansprechen, die bereit sind, dieses Moonshot-Projekt zu unterstützen. 
 
Drittens: Erkenne den wahren Kern deiner Arbeit. 

Die größte Gefahr in der Wissenschaftskommunikation liegt darin, den Überblick vor lauter Details zu verlieren. Tritt einen Schritt zurück und schau auf das große Ganze: Was möchtest du mit deiner Forschung erreichen? Wenn wir von der Entschlüsselung des menschlichen Immunsystem sprechen, könnten wir uns in dutzenden Details über regulatorische T-Zellen, Antikörper und Algorithmen verirren. Im Grunde geht es jedoch um eine Frage, die den Kern unserer Arbeit ausmacht: Warum sind manche Menschen vor Krankheiten besser geschützt als andere?
 
Viertens: Verbünde dich mit einem Übersetzer.

Ja, jeder kann lernen, gut zu kommunizieren. Aber: Das kostet Zeit, denn Journalismus ist erlerntes Handwerk – Zeit, die ein Wissenschaftler meist besser in die Forschung investiert. Such dir deshalb einen Übersetzer. Das kann eine Partnerschaft wie die zwischen HVP und LOOPING sein. Das kann ein Journalist eines vertrauenswürdigen Mediums sein. Das kann aber auch ein Künstler sein – wie das Beispiel der Mikrobiologin Dr. Siouxsie Wiles und des Comicautors Toby Morris zeigt, die gemeinsam diesen fantastischen Comic zu COVID-19 produziert haben. Das können – für den Anfang – aber auch der Freunde oder Familienmitglieder sein, denen man einen Gastbeitrag oder LinkedIn-Artikel zum Gegenlesen gibt, um herauszufinden, ob er auch für Laien verständlich und klar ist.
 
Fünftens: Sei transparent und authentisch.  

Eine sehr positive Entwicklung der Pandemie war der Aufstieg des Preprints – also die Veröffentlichung von Forschungsmanuskripten, die noch nicht begutachtet wurden. Wissenschaftler stellen damit ihre Ergebnisse offen zur Debatte, um in der transparenten Diskussion gemeinsam nach Schwachstellen und Lösungen zu suchen. Eine solche Fehlerkultur würde auch anderen Bereichen der Kommunikation nicht schaden. Aber diese Transparenz erfordert ein dickes Fell. Wir durften das erleben, als wir für das zweiwöchentliche HVP-Webinar, das Global COVID Lab Meeting, die renommierte Wissenschaftlerin Dr. Bette Korber einluden. Ihr Team hatte eine mögliche Mutation des neuen Coronavirus entdeckt, die noch ansteckender ist. Eine beunruhigende Nachricht, die weltweit Schlagzeilen machte und bei einigen Lesern für Panik sorgte, andere zu harscher Kritik an der Forschung veranlasste. Trotzdem ist diese Transparenz zwingend nötig, wenn Wissenschaftler das Vertrauen ihrer Leser und Zuhörer in einer Zeit gewinnen und erhalten wollen, in der sie mit einem völlig neuartigen Virus konfrontiert sind und schnelle Antworten auch dann liefern müssen, wenn vermeintliche Erkenntnisse täglich widerlegt werden können. 

Eng mit dieser Transparenz verbunden ist die Authentizität – ein Begriff, der leider zum Modebegriff verkommen ist, hier aber trotzdem einmal erwähnt werden muss, da das mediale Debakel um die Heinsberg Protokolle noch vielen präsent sein dürfte. Auch Wissenschaftler und wissenschaftliche Organisationen sollten ihren ganz eigenen Stil entwickeln – sie müssen das sogar. Die Bandbreite ist groß: Von Entertainern wie Eckart von Hirschhausen bis zu nüchternen Expertinnen wie Angela Merkel,
die für ihre verständliche Erklärung des Reproduktionsfaktors zu Recht gelobt wurde. 

 

Sechstens: Knüpfe Netzwerke. 

In unserer Redaktionellen Gesellschaft gibt es niemals einen Mangel an Content. Die Herausforderung liegt für die Rezipienten in der Orientierung – das gilt vor allem für wissenschaftliche Themen, die meist mehr Vorwissen als andere erfordern. Du als Experte kannst diese Orientierung geben, indem du mit Kommentaren, Empfehlungen und Likes jenen Gehör und Glaubwürdigkeit verschaffst, die du für authentische und vertrauenswürdige Quellen hältst. Im Gegenzug werden so wiederum Kollegen auf dich aufmerksam, die deine Inhalte verbreiten. 
 
Siebtens: Korrigiere Fake News – aber mit Empathie.

Spott hat noch keinen Impfgegner überzeugt, noch keinen Klimawandelleugner und erst recht keinen Verschwörungsideologen. Die Extremisten in diesen Gruppen lassen sich ohnehin nicht überzeugen. Aber die Zweifler durchaus – und die erreicht Wissenschaftskommunikation nur, wenn sie auf Augenhöhe stattfindet. Das bedeutet: Keine Predigt des peniblen Experten, stattdessen: verständnisvoller Dialog. 
 
Ja, innerhalb der Redaktionellen Gesellschaft verschwinden die Grenzen zwischen Gift und Medizin. Nie war es so leicht, Forscher mit plumpen Mitteln zu diskreditieren und Verschwörungstheorien zu verbreiten. Wissenschaftler sollten sich dagegen nicht nur verteidigen, wir meinen: sie müssen es. Indem sie vernehmbar erheben, was unserer Zeit abhanden zu kommen scheint: die Stimme der Vernunft.

Zur Person

Bernadette Mittermeier ist Editor im Studio Story der LOOPING GROUP am Standort München. Zuvor studierte sie Politik und Literatur in Jena sowie an der Deutschen Journalistenschule und arbeitete als freie Journalistin für Medien wie ZEIT Online, die Süddeutsche Zeitung und das SZ Magazin.

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