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Ping! | 13. Jul. 2020

Warum das Kunsthirn noch kein Storytelling kann


von Malte Berneaud-Kötz | Follow

LOOPING GROUP Team Data

von Oliwia Lewandowska | Follow

LOOPING GROUP Team Data


In wenigen Sätzen

Der Siegeszug von künstlicher Intelligenz ist auch bei der Textverarbeitung nicht aufzuhalten. Übersetzungsprogramme, Online-Shops, Kundencenter – sie alle bedienen sich automatisierter Prozesse. Allein beim kreativen Storytelling zündet KI (noch) nicht, weil sie keine kreativen Ideen initiieren kann. Dennoch bereichert KI schon heute die Arbeit von Journalisten, Autoren, Verlegern und Produzenten aus der Medien- und Filmbranche.

Beethovens zehnte Sinfonie, die Unvollendete, ist legendär. Überliefert sind nur ein paar Takte, dazu Skizzen und Notizen. Ein Team aus Musikern und Experten für künstliche Intelligenz entwickelt nun eine vollständige Version des Stücks. Das Auktionshaus Christie‘s versteigerte im Oktober 2018 das Gemälde „Portrait of Edmond de Belamy“ für 432.500 Dollar. Es wurde vollständig durch KI gemalt. 
 
Diese Kunsthirne können komponieren und malen, übersetzen und programmieren. Sie sind damit aktiver Bestandteil unseres täglichen Lebens geworden und ein großer Wirtschaftsfaktor dazu. Der weltweite Markt wächst rasend schnell. Setzte die Branche im Jahr 2018 noch zehn Milliarden Dollar um, wird das Volumen in fünf Jahren auf geschätzte 190 Milliarden Dollar steigen. Mit KI wächst auch der Roboterjournalismus, der von Unternehmen, Verlagen und Filmstudios gleichermaßen eingesetzt wird: für die Generierung automatisierter Texte in der Kundenkommunikation, für Produktbeschreibungen auf Verkaufsplattformen wie Amazon, für Berichte von Fußballspielen. Aber wird KI Journalisten, Schriftsteller und Drehbuchautoren jemals vollständig ersetzen? Oder prägnanter: Ist ein Algorithmus in der Lage, eine hoch emotionale und fesselnde Geschichte zu verfassen?

Unvollkommenheit des KI-Romanciers beim Kerouac-Remake

Am Anfang standen wirr zusammengewürfelte Sätze. Als Wissenschaftler und Bastler 2016 begannen, Algorithmen für das Geschichtenerzählen zu programmieren, spuckten die Rechner am Ende nur Stümperhaftes aus, den ersten robotergeschriebenen Kurzfilm Sunspring und ein KI-basiertes Kapitel von Harry Potter. Erst 2018 gelang es Forschern im Auftrag von Facebook, KI so weiterzuentwickeln, dass sinnvolle kurze Geschichten entstanden. Was die Textroboter allerdings brauchten, war ein vom Menschen vorgegebener Themenanriss („Außerirdische entführen Menschen“ und „Schreib einen Brief an deine/n Ex“).

Quelle: Facebook

An den Facebook-Erstlingen wird all das Potenzial von KI im Texten deutlich, ebenso klar kristallisieren sich die Grenzen heraus. Modelle des maschinellen Lernens analysieren bestimmte Satzstrukturen und wissen, dass zum Beispiel die eine Wortart (Adjektive) normalerweise einer anderen (Substantive) vorausgeht. Diese sogenannte schwache KI hat jedoch nahezu kein Verständnis dafür, was diese Muster und Wörter tatsächlich bedeuten. Nur eine starke KI versteht die Sinnhaftigkeit und weiß mit ihr etwas anzufangen, so dass sie eigene Ideen fürs Geschichtenerzählen entwickeln und Texte neu arrangieren kann. 
 
Zum Beispiel "1 The Road". Auch das Remake des Klassikers „On the Road“ von Jack Kerouac steht für all die Unvollkommenheit künstlicher Literatur aus dem Versuchslabor. Aus der Feder des KI-Romanciers purzelten, nachdem er mit Handlungssträngen der wilden Wanderungen des amerikanischen Kultautoren inklusive GPS-Daten gefüttert worden war, allerlei schiefe Metaphern heraus: Die Straßen waren „etwas warm“, das Meer entpuppte sich als „ein großes Gebäude“ und es lag ein „großer Karton Sonnenlicht unter dem Sand“.

Prognosen über kommerzielle Erfolge von Filmen möglich

Beim Storytelling versagt KI grandios, dennoch kann die Technologie Publishern eine große Hilfe sein. Nachrichtenagenturen setzen sie schon heute erfolgreich zur Erkennung von Fake News ein. Algorithmen unterstützen Redakteure beim Prüfen eingehender Nachrichten auf Authentizität. Das Warnsystem ist noch nicht ausgereift. Die Erkennung gefälschter Nachrichten beruht auf der Identifizierung statistischer Muster im Text, die potenziell von einem Bot stammen können. Das Pikante ist, dass Nachrichtenagenturen wie Associated Press selbst auf automatisierte Schreibsysteme zurückgreifen.
 
Nicht ganz so medienwirksam, dafür aber ebenso schlagkräftig setzt die Filmindustrie auf künstliche Intelligenz. Mit maschinellen Lernsystemen werden Storys optimiert und Veröffentlichungsstrategien ausgearbeitet. Konkret lesen Unternehmen wie Scriptbook Drehbücher aus, weisen der Handlung Hunderte von Parametern zu und vergleichen sie mit denen anderer sehr erfolgreicher Filmhandlungen. Am Ende der Analyse wird auch noch ein Dollarbetrag ausgespuckt: die Summe, die der Film voraussichtlich an den Kinokassen einspielen wird. Ein Effekt ist, dass unter kommerziellen Gesichtspunkten künftig nur noch der Mainstream-Geschmack bedient werden dürfte und die Vielfalt der Filmkunst leidet. 

20th Century Fox geht noch einen Schritt weiter und entwickelt mit Google ein hauseigenes Machine-Learning-System, das basierend auf granularen Kundendaten trainiert wird zu verstehen, wie geplante Filme von einzelnen Zielgruppen aufgenommen werden. Die Google-Optimierer analysieren neben Drehbuch auch den Inhalt des Filmtrailers; er gilt als Schlüsselelement einer Marketingkampagne. 

Neuronale Netze mit Gefühlen füttern

Aber gibt es nicht doch so etwas wie eine KI-basierte Formel für eine erfolgversprechende Story?  Ein Team aus Experten von McKinsey und dem Massachusetts Institute of Technology gingen bei ihrem Feldversuch von der Prämisse aus, dass sich gute Geschichten im Wesentlichen aus fünf Zutaten speisen: den Charakteren, dem Schauplatz, der Handlung, dem Konflikt und der Lösung. In der richtigen Weise kombiniert, verschmelzen sie zu einer fesselnden Story. Die Wissenschaftler bezogen auch ein weiteres Kernelement ein, das eine Geschichte würzt: die „emotionalen Bögen“, also die Gefühlsregungen und Wendungen einer Storyline. Die Forscher spannen ein neuronales Netzwerk, indem sie emotionale Ausschläge wie etwa Freude einerseits und Angst andererseits anhand der Bilder anlernten und sie mit der Komposition und Begleitmusik verknüpften. Als Maßstab dienten Filmszenen in den sozialen Netzwerken, wo sich Interaktionen präzise messen lassen.
 
Beispiel eines emotionalen Bogens in der Eröffnungssequenz von Up (Quelle):

Ein großartiges Beispiel dafür, wo KI noch unterstützen und optimieren kann, ist Storyfile, eine Initiative, die umfassende Interviews mit Holocaust-Überlebenden aufzeichnet und aufbereitet. Schon heute und auch in Zukunft können Menschen mit Holocaust-Überlebenden in einen digitalen Dialog treten und persönliche Erfahrungen mit anderen Zeitzeugen machen. 
 
KI bietet die Chance, neue künstlerische Ausdrucksformen entstehen zu lassen. Die Furcht, dass sie Dokumentare, Journalisten oder Schriftsteller überflüssig macht, ist unbegründet. So wie die Erfindung der Kamera die Gemäldekunst nicht ersetzen konnte, werden auch Kunsthirne das Geschichtenerzählen durch die Menschen nicht ersetzen können. 

Zur Person

Malte Berneaud-Kötz ist Data Scientist bei der LOOPING GROUP. Vor seinem Wechsel in die Welt des Content Marketing erforschte er an der Hertie School of Governance mittels quantitativer Methoden internationale Kulturpolitik und Kulturbeziehungen für das Auswärtige Amt, das Goethe Institut und die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien. 

Oliwia Lewandowska ist seit 2018 Data Scientist bei der LOOPING GROUP. Sie hat vorher Marketing- und Analyse-Erfahrung bei Procter & Gamble, an der Warschauer Börse und durch die Leitung ihres eigenen Modeunternehmens gesammelt. Sie hat ihr Studium an der Universität Mannheim mit Schwerpunkt Management und Informationssysteme abgeschlossen.

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