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Nr. 17
Ping! Der Looping Newsletter

Für mehr Sinn und Verstand in der Redaktionellen Gesellschaft


Der Newsletter der Looping Group


Ping! | 08. Mai. 2020

Corona-Krise: Was Marken von China und Italien lernen können


von Henning Walbaum

Head of Strategy and Consulting LOOPING GROUP

von Vanessa Luks

Assistant Strategy and Consulting LOOPING GROUP

von Sara Mortarino

Executive Assistant LOOPING GROUP


In wenigen Sätzen

Unternehmen und Marken müssen sich wegen der Covid-19 Pandemie grundlegend wandeln, denn das Kundenverhalten und mit ihr die angemessene Kommunikation verändern sich rasant. Die Welt ist dem revolutionären Impuls überall ausgesetzt – aber sie durchlebt die Effekte zu verschiedenen Zeitpunkten und in verschiedenen Geschwindigkeiten. Wir haben in den besonders betroffenen Märkten China und Italien recherchiert, wie Marken erfolgreich agieren können. Aus den Erkenntnissen leiten wir drei Empfehlungen ab: Wer auf die Krise mit klarer Haltung, konsequenter Digitalisierung und empathischem Storytelling reagiert, kann jetzt sogar neue Chancen nutzen.

Was der globalen Gemeinschaft derzeit widerfährt, ist am treffendsten mit dem Wort Revolution beschrieben. Gesellschaft und Wirtschaft erleben durch die Covid-19-Pandemie einen so vehementen und zugleich so fortdauernden Impuls, dass für viele Akteure eine Transformation als einziger Ausweg bleibt, um die Existenz zu sichern. 

Für Unternehmen und Marken änderten sich die Marktbedingungen in wesentlichen Aspekten binnen kürzester Zeit radikal: Kontaktsperre, Immobilität und Social Distancing erfordern seitdem rasche, operativ getriebene Anpassungen – in Logistik, Produktion, Vertrieb, Kommunikation. Zeitgleich müssen Unternehmen strategisch Antworten finden auf komplexe Fragen, deren Konturen sich erst nach und nach dynamisch herausarbeiten. Auf nicht mehr profitable Geschäftszweige zu verzichten, sich auf den Kern zu konzentrieren kann eine erste Konsequenz sein. Sie wird jedoch nicht ausreichen.

Für Entscheider der Kommunikation geht es darum, die Effekte der beispiellosen Krise zu begreifen und ihren Kurs unter den Bedingungen der Redaktionellen Gesellschaft entschlossen anzupassen. Nein, eine Glaskugel besitzen auch wir bei Looping nicht. Stattdessen haben wir uns für diesen Beitrag intensiv den initial von der Pandemie betroffenen Markt China und den besonders heftig betroffenen Markt Italien angeschaut. Dazu analysierten wir globale Fachmedien der betroffenen Branchen und versuchten, signifikante und auf andere Länder übertragbare Trends und Muster herauszuarbeiten. 

Die Welt ist der Corona-Revolution überall ausgesetzt – aber sie durchlebt sie zu verschiedenen Zeitpunkten und in verschiedenen Geschwindigkeiten. Unser Ansatz war daher, zu lernen von denen, die vor uns dran waren, und zu lernen von denen, die schlimmer als wir dran sind. 
 
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In allen Ländern folgen auf den Schock unterschiedlich konsequent betriebene Notfallmaßnahmen und nach einiger Zeit der Versuch einer Rückkehr zur Öffnung. In China reagierte die Politik mit Abschottung – vier Wochen vor Italien und sieben Wochen vor Deutschland. Und dies mit totalitärer Härte. Inzwischen behauptet man, man habe den Virus im Land unter Kontrolle gebracht, und ist massiv um Deutungshoheit im internationalen Diskurs bemüht. Unstrittig ist indes, dass die Seuche in China ihren Anfang nahm.
 
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Am 31. Dezember 2019 informieren die chinesischen Behörden die Weltgesundheitsorganisation (WHO) darüber, dass in Wuhan, in der zentralchinesischen Provinz Hubei, eine rätselhafte Lungenkrankheit ausgebrochen ist. Der Shutdown der Millionenstadt, des ersten Hotspots, wird am 23. Januar 2020 verhängt. Zwei Tage später stehen bereits 60 Millionen Menschen unter Quarantäne.

In Deutschland wird schon am 27. Januar der erste Patient in ein Krankenhaus eingeliefert, der nachweislich an dem neuartigen Corona-Virus erkrankt ist. Das Leben geht derweil seinen Gang. Im Rheinland bereiten sich die Jecken auf die Narrenfeiern Mitte Februar vor, viele Deutsche freuen sich auf den Skiurlaub in Ischgl, in Thüringen wird mit Stimmen der AfD ein Ministerpräsident der FDP gewählt, der FC Bayern siegt in der Fußball-Bundesliga, die ersten Krokusse sprießen.

Beunruhigende Nachrichten dringen vor allem aus Italien gen Norden. Die Intensivstationen sind überlastet, die Todeszahlen steigen dramatisch. Aufgrund der vielen schweren Krankheitsverläufe riegelt Italien am 23. Februar mehrere Städte im Norden des Landes ab, am 10. März wird ganz Italien zur Schutzzone erklärt. 

Nach und nach wachsen die Fallzahlen nun auch in Deutschland. Konferenzen, Messen, Sportveranstaltungen werden abgesagt. Die Politik erklärt am 23. März bundesweit die generelle Kontaktsperre und schließt Geschäfte, Restaurants, Freizeiteinrichtungen, Schulen. In den nächsten Wochen werden ein Drittel aller deutschen Unternehmen Kurzarbeit anmelden, 10 Millionen Arbeitnehmer betroffen sein. 

Auch die Wirtschaft steht unter Schock. Wer an verantwortlicher Stelle in Kommunikation oder Marketing arbeitet, fragt sich: Wie kann unser Unternehmen überhaupt noch unsere Kunden erreichen? Wie lange wird dieser Zustand anhalten? Wie müssen wir uns wandeln, um diese Krise zu überleben?
 
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In China haben eine Reihe von Marken nachvollziehbar gut reagiert, indem sie die neuen Realitäten früh erkannten und rasch auf die geänderten Bedürfnisse ihrer Zielgruppe eingegangen sind. Generell ist zu beobachten, dass die turbulenten Ereignisse von den Unternehmen besonders dies abforderten: Geschwindigkeit, Pragmatismus – und Empathie.

Aus unseren Recherchen, die uns von chinesischen Internetunternehmen wie Tencent bis in italienische Fashion-Foren führten, haben wir drei Leitgedanken abgeleitet, die man als strategische Empfehlungen lesen kann.

1. Zeigen Sie Haltung!

Vor allem in Italien, einem kulturell mit Deutschland vergleichbaren Markt, offenbart sich: Für Unternehmer und ihre Marken ist in dieser Situation die Chance gekommen zu zeigen, dass sie gesellschaftliche Vordenker und Problemlöser sind – und sich damit als unverzichtbare Bestandteile des sozialen und ökonomischen Systems zu beweisen.
Wirklich: Chance?

Das chinesische Wort für „Krise“ heißt übersetzt: Gefahr und Chance. Die Corona-Krise bedeutet eine Gefahr für die Gesundheit, für die Arbeitsplätze vieler Menschen, für die Geschäftsmodelle vieler Unternehmen, für den Zusammenhalt der Gesellschaft – all das ist Konsens. 

Was es indes für Marken zu gewinnen gibt, sind Glaubwürdigkeit und Loyalität der Kunden. Die entscheidende Währung unserer Tage. Dafür müssen Marken konsequent etwas leben, das sie nicht selten bislang nur behauptet haben: eine Haltung, geprägt von Empathie, die die Bedürfnisse der Menschen wahrhaftig in den Mittelpunkt aller Bemühungen rückt. 

Marken müssen sich klarer denn je positionieren. Gegenüber den Kunden, gegenüber ihren Mitarbeitern, gegenüber ihren Zulieferern und gegenüber der Gesellschaft. Unternehmen sind nicht nur als Impulsgeber dieser Entwicklung gefragt, sondern auch als Impulsnehmer  – dieses Selbstverständnis ist Voraussetzung für ein konsistentes Handeln, das von den Kunden als emphatisch und authentisch empfunden wird. Dazu gehört das Eingeständnis eigener Unsicherheit. Niemand weiß, was uns noch erwartet. So argumentiert auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Unternehmer sollten es sich durchaus öffentlich leisten, auch einmal das Wort „vielleicht“ zu benutzen. 

Während in anderen Feldern schnelles Agieren und Flexibilität notwendig sind, sind in Fragen der Haltung Angemessenheit, Klarheit und Kontinuität und damit Verlässlichkeit gefragt. Die Haltung ist die Klammer, die sich in Zukunft über alle Aktivitäten und Maßnahmen spannen muss – und die sicherstellt, dass zu keinem Zeitpunkt der Eindruck von Opportunismus entsteht. 

Edelman Research belegt mit einer aktuellen Studie, dass die Konsumenten im Zeichen von Covid-19 in verschiedensten Belangen hohe Erwartungen an Marken haben: beispielsweise an den Schutz der Mitarbeiter, die Anpassung der Produktion, um etwa für den Schutz dringend benötigte Artikel herzustellen, oder gemeinsame Aktivitäten mit der Regierung. Haltung entwickeln und zeigen, ist demnach nicht nur Chance, sondern auch Verpflichtung. Und nicht nur jetzt, sondern langfristig.

Was bedeutet das konkret? Ein Unternehmen, das in enormer Geschwindigkeit seine Produktion von T-Shirts auf Atemschutzmasken umstellt – wie Trigema in Deutschland oder Gucci und Calzedonia in Italien –, ein Unternehmen, das seinen Mitarbeitern spontan Homeschooling-Tage zur Betreuung der Kinder gewährt, das Freelancern, die dieser Tage nichts zu tun haben, weiterhin ihre Tagessätze bezahlt, dieses Unternehmen sollte sich dieser Haltung auch in späteren Phasen der Krise besinnen und beispielsweise den sinkenden Budgets der Menschen Rechnung tragen. Das heißt: die Preise bei Produkten oder Services des täglichen Lebens absenken. 

Wenn Deliveroo in Hongkong ad hoc allen Partnerrestaurants 20 Prozent der Provision erlässt, hilft das gleich drei Gruppen: zum einen den Restaurants, die aktuell vollständig auf das Vor-Ort-Geschäft verzichten müssen und daher ums Überleben kämpfen, zum anderen der Gesellschaft in Form eines Beitrags zur Arbeitsplatzsicherung, und schließlich den Kunden, die sich selbst in der aktuell angespannten Situation aus einer größeren Auswahl bedienen können.

Diese Ehrlichkeit, dieses Verständnis, dieses bedingungslose Miteinander wird von Konsumenten und Bürgern mehr und mehr eingefordert. Die Liste renommierter Marken, die ihr Handeln mit verschiedensten Initiativen bereits an diese neue Realität angepasst haben, ist lang: 
 

  • ZF, u. a. Automobilzulieferer, stellt in seinen chinesischen Fabriken Ventilatoren her, Maserati und Ferrari tun dies in ihren Produktionsstätten in Italien 
  • Die Luxus-Marke Valentino hat ein Online-Programm für seine Mitarbeiter während der Corona-Krise entwickelt (Webinar, Kochshows mit bekannten Köchen, Musik-Playlists, Sportaktivitäten etc.)
  • LVMH, gefolgt von vielen anderen, hat seine Parfümherstellung auf die Herstellung von Handdesinfektionsmitteln umgestellt

 
Neben dem gesellschaftlichen Commitment bedarf es auch der Transparenz, um bei Konsumenten Reputation und Glaubwürdigkeit zu erzeugen. Eine aktuelle Studie des Werbezeitenvermarkters IP (April 2020), basierend auf 1.000 Befragten zwischen 18 und 59 Jahren, offenbart, dass Inhalte der Markenkommunikation, die die soziale Verantwortung des Unternehmens zeigen, mit 62 % Zustimmung am stärksten gefordert bzw. honoriert werden. Laut einer aktuellen Studie von GlobalWebIndex In der Textilindustrie gibt es den Transparency Index von Fashion Revolution, der zunächst einmal aufzeigt, wie offen Unternehmen ihre Tätigkeiten kommunizieren. Transparenz ist aktuell etwa in Fragen der Supply Chain hochrelevant – unter anderem, um zu sehen, ob und wie bei den großen Brands der Textilindustrie Solidarität mit Zulieferern in Bangladesch, Kambodscha oder Vietnam gelebt wird, die unter Covid-19-bedingten Stornierungen der Aufträge leiden, und ob beispielsweise in Form Existenz-sichernder Ausgleichzahlungen auch an die dortigen Arbeiter gedacht wird.

Vogue Business vermutet, in der Fashion-Branche könne als positiver Post-Corona-Effekt ein dauerhaft verantwortungsvollerer Umgang mit den Partnern der Supply Chain bestehen bleiben.

Keine Frage, diese Linie empathischen Handelns nun konsequent weiterzuverfolgen, bedeutet für viele Unternehmen höchste Anstrengungen. Und dies in einer Zeit, da sie selbst in finanzielle Turbulenzen geraten sind und ihre Ways of Working in Teilen neu lernen müssen. 

Der erste Schritt, die Krise als Chance anzugehen, mag daher eine ermutigende Erkenntnis sein: Dass der Corona-Schock ein Umdenken nicht nur erzwingt, sondern, ganz im Gegenteil, auch ermöglicht. Widerstände sind plötzlich entkräftet. Die internen Verfechter eines ewigen „Weiter so“ sind stumm geworden.

2. Nutzen Sie die Chance für einen „Digital Boost“!

Wem bisher die digitale Transformation nicht gelang oder wer sie in Teilen als entbehrlich erachtete, muss jetzt mit Hochdruck die digitalen Kommunikations- und Vertriebskanäle ausbauen. Schon mit Beginn der Ausgangssperren und dem Schließen der Ladenlokale in China und Italien wurde klar, dass E-Commerce exponentiell an Relevanz gewinnen würde. Nie zuvor mussten sich Menschen in den betroffenen Ländern so dringlich über ihre Versorgung mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln Gedanken machen. Gemäß einer McKinsey-Studie aus dem April gaben 25 % der in China Befragten an, nun erstmals einen Online-Lebensmittel-Lieferservice zu nutzen, 50 % der Befragten, gaben an, diesen demnächst verstärkt zu nutzen.

Unternehmen, die bereits gut aufgestellt waren, konnten ihre Umsätze vervielfachen. Foodnavigator-asia.com führt an, dass der chinesische Handelsgigant JD (u. a. Betreiber der Online-Handelsplattform JD.com und der automatisierten Supermarktkette 7Fresh) vom 24. Januar bis 4. Februar 19.000 Tonnen anstatt 4.000 Tonnen frischer Lebensmittel geliefert hat – ein Anstieg zum Vorjahreszeitraum um fast 400 %.  

JD ist auch ein gutes Beispiel dafür, dass sich die Krisen-induzierte digitale Innovationsbeschleunigung nicht nur auf den virtuellen Bereich begrenzt, sondern sich auch auf die Schnittstellen der virtuellen mit der physischen Welt auswirkt. So hat die Firma zur Vermeidung von Infektionsketten in der Region Wuhan erstmals auch autonom fahrende Auslieferungsroboter zum Einsatz gebracht.

Wie gut oder schlecht ein Unternehmen in einem weiteren wichtigen Teil des digitalen Ökosystems aufgestellt ist, bekommen derzeit Millionen Mitarbeiter in ihren Homeoffices zu spüren: in der digitalen Infrastruktur, die für ein effizientes Zusammenarbeiten unabdingbar ist – von Cloud-basierten Speichersystemen bis zur performanten Video-Conferencing-Software, die eine störungsfreie Kommunikation im Mitarbeiterkreis oder mit dem Kunden zulässt. 

Die Nachfrage nach diesen Services ist explodiert. Wie  Daxue Consulting aus Hongkong herausfand, wurde beispielsweise die Meeting-App des im chinesischen Shenzhen ansässigen Unternehmens Tencent während der Krise 430.000 Mal am Tag heruntergeladen, gegenüber 370 Mal am Tag vor dem Ausbruch. Angesichts des globalen Bedarfs an Video-Conferencing-Lösungen hat Tencent, wie ChinaDaily.com berichtet, die Chance genutzt, die Expansion maximal zu forcieren und dies gleichzeitig als Teil einer globalen Hilfsaktion zu vermarkten, indem man eine internationale und kostenlose Version der App VooV Meeting ad hoc in 100 Ländern verfügbar machte.

Nicht wenige Unternehmen werden derzeit indes zu Getriebenen in der Anstrengung, ihre physischen Einkaufsmöglichkeiten digital zu spiegeln – und dies nutzerfreundlich und vor allem zuverlässig.

Hierbei gibt es zwei wesentliche Erkenntnisse:

1. Nicht alles, was jetzt an digitalen Maßnahmen mit maximaler Geschwindigkeit umgesetzt wurde, ist auch gut gelungen. Vielfach wurden betriebsintern Kompromisslösungen akzeptiert, um ein schnelles Going-live realisieren zu können. 

2. Dieses Lehrgeld ist keineswegs verloren, sondern gut investiert: Selten gab es eine Situation, in der ein pragmatisches Trial-and-Error-Prinzip so schnell realisierbar und so sinnvoll war und so wertvolle, empirisch belegte Ergebnisse lieferte. Learnings, die jetzt den Grundstein für den Aufbau einer langfristig erfolgreichen digitalen Präsenz von Unternehmen bilden können – und damit für zukunftssicher ausgerichtete Geschäftsmodelle. Denn auch nach einem Ende des Lockdowns dürften Konsumenten zumindest in Teilen in ihrem Post-Epidemic-New-Normal verbleiben. Und das bedeutet: weniger physische Einkaufserlebnisse und die vermehrte Nutzung attraktiver Alternativen im digitalen Shopping- und Entertainment-Universum.

3. Fühlen Sie sich in die neue Realität Ihrer Zielgruppen ein! 

In China (wie auch in Deutschland) gelten gemäß der Statista Survey vom 29. April die größten Sorgen der Befragten der Gesundheit ihrer Familie, direkt gefolgt von der Sorge um die ökonomische Stabilität des Landes sowie der eigenen ökonomischen Situation.

Die Frage drängt sich auf: In welchem Maße also und wofür werden die Menschen zukünftig ihr im Zweifelsfall zumindest übergangsweise geringeres Haushaltsnetto verwenden? Und wo beziehungsweise wie werden sie einkaufen? 
Zu erwarten ist eine noch stärkere Ausdifferenzierung von Lebensstilen wie auch der Kaufkraft der Zielgruppen.

Die Gen X und die Baby Boomers, also die tendenziell älteren Zielgruppen und hier insbesondere die höheren Einkommensklassen, haben in den vergangenen Wochen stärker als zuvor den Einkauf bei Online-Supermärkten ausprobiert – und werden dies ersten Befragungen zufolge (GlobalWebIndex Survey, UK & USA April 2020) auch zukünftig tun. Hier bahnt sich also ein dauerhafter Shift an, der sich sicherlich mit einem positiven Online-Einkaufs- und Delivery-Erlebnis noch deutlich verstärken und in weitere Branchen überführen lässt.

Die von den Marken besonders umworbene Gen Z, also die Gruppe der 16- bis 23-Jährigen, erlebt ihre erste Wirtschaftskrise überhaupt. Und etwa die Hälfte der Teilnehmer einer aktuellen Gen-Z-Umfrage von Kantar in 50 Ländern (April 2020) berichtet von spürbaren Auswirkungen auf ihr Einkommen und geht davon aus, dass diese Einbußen auch nach Corona bestehen bleiben. Der Effekt tritt hier deutlicher zutage als bei allen anderen Generationen. Zugleich leidet die Gen Z überdurchschnittlich stark an den Folgen von Social Distancing – den fehlenden sozialen Kontakten und der „verlorenen“ Freiheit.

Bei der Gen Z spielen neben ökonomischen daher in erhöhtem Maße auch emotionale Faktoren eine Rolle bei der Frage, wie sie Post-Corona agieren werden: Investieren sie einen größeren Anteil ihres Geldes in reale Erlebnisse, in Reisen, in Restaurant- und Konzertbesuche, um den Luxus des gemeinsamen Augenblicks in vollen Zügen zu genießen? Oder werden sie Rücklagen schaffen, einen nachhaltigen Lebensstil beibehalten, digitales Entertainment und digitalen Austausch zum Standard machen und sich auf das Wesentlichste beschränken? Einen ersten Hinweis geben Auskünfte zu geplanten Ausgaben, die Angehörige der Gen Z im Rahmen einer aktuellen Befragung durch GlobalWebIndex erteilt haben: Reisen im eigenen Land stehen demnach ganz oben auf der Wunschliste.

Auf die Frage, welche der jetzt gewonnenen Gewohnheiten sie vermutlich auch in ihrem zukünftigen Lifestyle beibehalten werden, antworten 40 % der Befragten der zielgruppenübergreifenden Studie mit Fitnesstraining, gefolgt von 26 %, die mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen wollen. Auf allen folgenden Plätzen finden sich der Konsum von Online-Angeboten: News, Videos, Gaming, Shopping. Produkte eines mobilen Lifestyles finden sich hier nicht.

Wichtig ist anzumerken, dass es sich bei all dem um erste Erkenntnisse und Prognosen handelt, die sich auch innerhalb der Zielgruppen unterschiedlich stark und selbstverständlich landesspezifisch ausprägen. Sie sind also mit Vorsicht zu bewerten.
Bei aller Betroffenheit und Ernsthaftigkeit der Lage können sich Marken freuen, die in der Vergangenheit Fähigkeiten im Dialog mit ihrer Zielgruppe über unterhaltsames Storytelling erworben haben. Dieser „leichtere“ Content erfährt gemäß einer Erhebung von GlobalWebIndex aus dem April über alle Zielgruppen hinweg auch aktuell hohe Zustimmung. 
 
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Konsistente Haltung, Entschlossenheit, Empathie: Wenn es Marken auf dieser Basis gelingt, durch emotionales Storytelling das Vertrauen der Kunden zu bewahren oder sie auch neu zu begeistern, dürften diese ihnen in die Welt der digitalen Produkte und Erlebnisse durchaus bereitwillig folgen.

Die Lage bleibt indes dynamisch. Die Fallzahlen der Patienten sind in Deutschland bis Anfang Mai deutlich gesunken. Bundeskanzlerin und Ministerpräsidenten beschließen erste vorsichtige Lockerungen. Weitere Maßnahmen werden diskutiert, die Furcht vor einer zweiten Krankheitswelle ist abzuwägen gegen die tiefgreifenden Folgen des Shutdowns.

China handelt längst schon wieder: Am 7. April wurde die Stadt Wuhan geöffnet, nach elf Wochen Shutdown, und auch in den anderen Städten kehrt das öffentliche Leben zurück. Die Schulen sind zumindest teilweise wieder in Betrieb. 

Im Konsumverhalten der Menschen gewinnen vor allem Conscious Spending und Sustainability in allen Segmenten an Relevanz. In China ist der Begriff „duansheli“ in den Chats sehr verbreitet – der Verzicht auf Triviales und Unnötiges ( qz.com, April 2020). 

Allerdings kommt es unmittelbar nach der Öffnung in beachtlichem Ausmaß zu Belohnungskäufen – „Revenge Spending“ ist ein häufig verwendeter Begriff. Hersteller von Luxusprodukten weltweit schöpfen durch solche Nachrichten Hoffnung: Am 11. April, dem Tag seiner Wiedereröffnung, meldet der Hermès Flagstore Shop im wohlhabenden Guangzhou den Rekordumsatz von 2,7 Millionen US-Dollar – der höchste jemals an einem Tag in einer einzigen Boutique in China erzielte Umsatz.

Zur Person

Henning Walbaum, Head of Strategy und Consulting der LOOPING GROUP, ist seit 20 Jahren Berater und Stratege. Er war zuletzt Geschäftsführer in unterschiedlichen Kommunikations- und Beratungsagenturen. Walbaum verantwortete  im Automotive-Bereich u.a. Mandate für Mercedes-Benz, Volkswagen, Mazda Europa, Škoda – arbeitete aber auch für Medienunternehmen wie Bauer Media Group oder SAT.1. Sein Fokus liegt in der empirisch fundierten Ableitung und Steuerung redaktionell getriebener Kommunikation.

Vanessa Luks ist Werkstudentin in der Strategie bei der LOOPING GROUP. Sie studiert an der Freien Universität Berlin den inter- und transdisziplinären Masterstudiengang Zukunftsforschung, wo sie sich mit den Grundlagen und Methoden zur Erforschung, Konstruktion und Reflexion von Zukunftsvorstellungen auf technischem, wirtschaftlichem und sozialem Gebiet beschäftigt.

Sara Mortarino arbeitet seit 2019 bei der LOOPING GROUP in München. Zuvor war sie als Junior Projektmanagerin für die Audi Urban Future Initiative bei der Stylepark AG tätig. Sie hat Kunstgeschichte in Italien und Frankreich studiert und lebt seit 2012 in Deutschland.

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