Herr Kliger, wenige Branchen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten so verändert wie die Modebranche. Was waren aus Ihrer Sicht die größten Gamechanger - und welche Auswirkungen hatten sie?
Die wohl tiefgreifendste Veränderung ist die zunehmende Vertikalisierung der Branche. Heute prägen Monobrand-Stores wie an der Maximilianstraße in München oder der Via Montenapoleone in Mailand das Bild. Der Handel konkurriert zunehmend mit den Marken selbst, die ihre Produkte direkt vertreiben. Das war vor 20 Jahren noch undenkbar – damals konnte man Marken ausschließlich im Handel kaufen. Für diesen Wandel trägt der Handel selbst eine gewisse Mitschuld: Marken fanden sich häufig in Umfeldern wieder, die ihnen nicht gerecht wurden. Das hat dazu geführt, dass Unternehmen die Kontrolle über ihre Vertriebskanäle zurückgewonnen haben – und der Handel an Bedeutung verloren hat.
Ein zweiter großer Umbruch ist die dramatische Polarisierung – sowohl im Handel als auch bei den Marken. Wer heute in der Mitte zwischen Masse und Qualität agiert, hat es zunehmend schwer. Wenn wir auf Deutschland blicken: Kaufhäuser – braucht es die überhaupt noch? Auch Marken im mittleren Preissegment tun sich schwer. Selbst im gehobenen Luxusbereich geraten viele unter Druck. Heute gilt oft: Entweder ist eine Marke wirklich Luxus – oder sie konkurriert über den Preis. Es herrscht heute die Logik „The winner takes it all“– als Marke in der Mitte zu bestehen, wird immer schwieriger. Denn das Preis-Leistungs-Argument ist zwar vorhanden, aber emotional schwer zu vermitteln.
Ihr Standort ist Deutschland, aber Ihr Unternehmen liefert in über 130 Länder. Worin unterscheidet sich denn der High Luxury Market – auch außerhalb des Fashion-Bereichs – in Deutschland, Österreich und Schweiz im Vergleich zu den anderen großen Märkten der Welt?
Ich bediene mich da gern eines Stereotyps, das jedoch viel Wahres enthält:
Im DACH-Raum tun wir uns mit Luxus schwer, sei es auf Grund der eigenen sozialistischen, protestantischen oder kulturellen Prägung. Deswegen verkauft man Luxus in diesen Ländern über das Qualitätsargument. Man sagt also: „Das ist so teuer, weil es so hervorragend verarbeitet “ Und das stimmt ja oft auch.