Wie Marken ein Desaster à la Kanye West vermeiden

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Michael Remke, Director of Brand Protection LOOPING GROUP

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©Kevin Mazur/Getty Images for Universal Music Group
10.11.2022 5 MINUTEN

  • Ein Shitstorm kostet Reputation, viel Geld und kann eine Brand im schlimmsten Fall auf Jahre schädigen. Der aktuelle Fall um Kanye West macht das deutlich.

  • Doch so schlimm hätte es für Adidas nicht kommen müssen.

  • Was Marken aus dem Fall Kanye West lernen können, um in Krisen klüger zu reagieren oder Shitstorms ganz zu verhindern.

George Clooney für Nespresso, Charlize Theron für Dior, Jennifer Lopez für Dolce & Gabbana oder Nicole Kidman für Chanel – bei der weltweiten Vermarktung ihrer Produkte setzen Unternehmen gerne auf bekannte Stars. Sie hoffen, die Fans der Stars auch zu ihren Fans zu machen. Doch was, wenn die Promis für negative Schlagzeilen sorgen – wie nun Kanye West?

Adidas muss sich nun von seinem prominentesten Markenbotschafter trennen. Der Rapper Kanye West, der für den Sportartikelhersteller seit 2016 erfolgreich unter das Label „Yeezy“ Sneakers entwarf, hatte mit antisemitischen Äußerungen für Proteste in den sozialen Medien gesorgt. Ein Shitstorm, der auch Adidas schnell erfasst und der Reputation der Marke schweren Schaden zugefügt hat. 

Eine unabhängige Brand Protection hätte frühzeitig auf die Risiken einer Zusammenarbeit mit Kanye West hingewiesen, Krisenszenarien entwickelt und so den jetzt entstandenen Reputationsschaden vielleicht verhindern, mindestens aber minimieren können.

Warum Adidas früher hätte eingreifen können – und müssen

Schon 2018 gab es Forderungen an Adidas, die Zusammenarbeit mit West zu beenden. Damals unterstützte der Rapper US-Präsident Donald Trump und verharmloste die Sklaverei. Als George Floyd 2020 durch Polizeigewalt in den USA ums Leben kam, behauptete West, Floyd habe an seinem Tod selbst schuld. Die Black Lives Matter Bewegung verspottete West zuletzt im Oktober auf der Pariser Fashion Week. Provozierend trug der Designer ein T-Shirt mit der Aufschrift „White Lives Matter“. 

Adidas schien diese Skandale lange aussitzen zu wollen. Zu wertvoll war dem Sportartikelhersteller offenbar die Zusammenarbeit. Erst als West Adidas und den Vorstandschef Kasper Rorsted persönlich angriff, wollte man im Oktober dieses Jahres „die Kooperation überprüfen“. 

Noch allerdings zögerte Adidas, den bis 2026 laufenden Vertrag ganz aufzulösen. Zu lange, wie Kritiker:innen sagen. Selbst nach den antisemitischen Äußerungen und Wests öffentlicher Provokation, er könne antisemitische Dinge sagen, da Adidas nicht ohne ihn könne, ließ eine Entscheidung auf sich warten. 

Erst als andere Firmen wie das Modelabel Balenciaga, The Gap, JP Morgan und selbst Wests Künstleragentur Creative Artists Agency ihre Zusammenarbeit beendeten, zog Adidas einen Schlussstrich unter einer „der erfolgreichsten Kollaborationen“ der Firmengeschichte. Der wachsende Reputationsschaden für den Konzern wurde zu groß und schien die geschätzten 250 Millionen Euro, die Adidas mit West verdiente, nicht mehr zu rechtfertigen.

Die Brand Protection identifiziert Risiken und gibt so mehr Sicherheit

Der aktuelle Skandal um Kanye West ist nur ein Beispiel wie wichtig eine unabhängige Brand Protection für eine Marke sein kann. Die Welt der Kommunikation ist in den vergangenen Jahren deutlich komplexer und schneller geworden. Unternehmen müssen in der Redaktionellen Gesellschaft ständig in den Sozialen Medien präsent sein. Dabei geht es längst nicht nur um ihre Produkte. Diversität, Gleichberechtigung, Inklusion, Nachhaltigkeit sind nur einige der wichtigen Themen, zu welchen Marken Haltung zeigen müssen – ob sie wollen oder nicht. 

Oft sind Firmen damit überfordert. Und das Netz verzeiht keine Fehler. In der Redaktionellen Gesellschaft, in der alle rum um die Uhr Zugang zu Twitter, Instagram und Facebook haben, ist jeder User für Unternehmen ein potenzieller Kunde, aber eben auch dessen schärfster Kritiker zugleich. 

Ein negativer Bericht in der Presse, ein kurzer Post, ein Video auf YouTube reicht, um eine Welle der Empörung auszulösen. Und das mit gravierenden Folgen für die Brand. In einer Umfrage gaben fast 40 Prozent an, eine Marke nach einem Shitstorm dauerhaft oder zumindest vorrübergehend nicht mehr gekauft zu haben.

Brand Protection: Das 360 Grad Tool für Kampagnen, Kooperationen und Social Media 

Im Gegensatz zur „Brand Safety“, die darauf achtet, dass Markenbotschaften in einem sicheren Werbeumfeld erscheinen, beginnt die Arbeit der Brand Protection schon vor einer Veröffentlichung. Es geht um korrekte Inhalte von Social Media Posts der Unternehmen für die verschiedenen Plattformen. Aber auch um Markenbotschaften, die Firmen in Kampagnen und mit Kooperationen an ihre Konsumenten senden wollen. Sie müssen „brand fit“ sein, dürfen der Marke nicht schaden, sondern müssen ihr langfristig nutzen.

Die moderne Quality Control ist aber viel mehr als nur Copy Editing, der klassische Faktencheck, die Überprüfung der Orthografie. Die Brand Protection beleuchtet Kommunikation von allen Seiten und ist ein 360 Grad Tool für Kampagnen und Kooperationen, Pressemitteilungen und Social Media Beiträge. Sie hilft Unternehmen bei einer sicheren Markenstrategie.

Inklusion: Plus-Size Models ja, Beinprothese nein!

Eine erfahrene Brand Protection hätte in diesem Sommer auch die spanische Regierung gebrauchen können. Beim Kampf gegen „Body-Shaming“ hatte sie ein Bild mit mehreren Fotos von Plus-Size Models zusammenstellen lassen. Dabei hatte die beauftragte Agentur aber offenbar vergessen, die Models für die Nutzungsrechte ihrer Fotos anzufragen.

Doch damit nicht genug. Dass eine der Abgebildeten eine Beinprothese trug, schien den Machern dann in Sachen Inklusion doch zu weit zu gehen. Am Computer wurde diese wegretouchiert und durch einen neuen Unterschenkel ersetzt. Der Aufschrei im Netz war entsprechend groß – die gut gemeinte Kampagne ging in der allgemeinen Empörung unter.

Unternehmen müssen Haltung zeigen. Aber sicher!

Eine immer wichtiger werdende Aufgabe der Brand Protection ist die Frage, ob ein Markenbotschafter, ein Promi, ein bekannter Influencer, tatsächlich zur DNA des Unternehmens passt – Stichwort brand fit. Ein Background Check dieser Werbepersonen ist dringend erforderlich. Siehe Kayne West. Der Check kann nicht alle Risiken ausschließen, er kann sie aber minimieren.

Das gilt auch wenn Firmen im öffentlichen Diskurs Stellung beziehen wollen oder gar müssen. Eine Haltung muss belegbar sein. Ein Post auf Instagram zu Nachhaltigkeit, zu Diversität und Inklusion, ist nur dann glaubwürdig, wenn das Unternehmen diese Themen selbst lebt, Erfolge vorzuweisen oder zumindest eine glaubwürdige Strategie für die Zukunft hat. Auf Worte müssen Taten folgen.

Brown-, Green- oder Pink-Washing sind nur einige Vorwürfe, mit welchen die Redaktionelle Gesellschaft auf den sozialen Plattformen Marken outen, die sich öffentlich für Black Lives Matter, Nachhaltigkeit oder Förderung von Frauen bekennen, tatsächlich aber wenig oder nichts dafür tun.

Der Fall West zeigt die Notwendigkeit einer unabhängigen Brand Protection

Die Brand Protection hilft in all diesen Fällen, als kritischer Berater und unabhängige Instanz, die mit objektivem Blick von außen auf mögliche Folgen hinweist. Unter dieser Prämisse hätte die Brand Protection im Fall von Kanye West frühzeitig auf die Gefahren eines Engagements hingewiesen und Krisenszenarien entwickelt. Die erwarteten Gewinne für Adidas hätten bei der Beurteilung für die Brand Protection keine Rolle gespielt. 

Die Brand Protection ist der letzte Gatekeeper – der Last Point of Return – bevor Marken mit ihren Botschaften an die Öffentlichkeit gehen und sich der Redaktionellen Gesellschaft stellen.

Zur Person

Michael Remke ist seit 2018 als Senior Editor bei der Looping Group in Berlin. Als Director of Brand Protection und Leiter der Unit unterstützt er Unternehmen bei einer sicheren Markenstrategie. Zuvor war der Diplom-Politologe viele Jahre US-Korrespondent für verschiedene Zeitungen des Axel Springer Verlages und andere deutsche Magazine in New York.

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