Im August dieses Jahres wurde Pavel Durov, Mitbegründer und CEO des Messenger-Dienstes Telegram in Paris verhaftet. Die französischen Behörden warfen dem 39-Jährigen vor, zu wenig gegen angeblich illegale Aktivitäten auf seiner Online-Plattform getan und Moderationsanfragen der französischen Regierung ignoriert zu haben. Einen Monat später dann verbannte das Oberste Gericht in Brasilien X/Twitter vorrübergehend komplett aus dem südamerikanischen Land und berief sich ebenfalls auf ein Versagen des Kurznachrichtendienstes bei der Kontrolle seiner Inhalte.
Diese beiden Vorfälle werfen grundlegende Fragen auf: Wie viel Regulierung sollte es in sozialen Netzwerken geben? Welche effektiven Kontroll-Mechanismen gibt es? Und wer sollte letztlich für Inhalte haften?
Der Dialog darüber ist oft durch Eigeninteressen der Beteiligten gestört. So wollen Politiker und Regierungen vor allem die Kontrolle über das Narrativ zurückgewinnen. Wie Martin Gurri in Revolt of the Public so treffend analysiert hat, ärgern sie sich darüber, dass sie die Fähigkeit verloren haben, die öffentliche Meinung zu gestalten. Wie viele Eliten sind sie der Meinung, dass sie wissen, was richtig ist, und behandeln das Volk wie einen dummen „Korb voller bedauernswerter Menschen“.
Die Eigentümer der Plattformen hingegen wollen das Nutzererlebnis kontrollieren, ihre Gewinne maximieren und gleichzeitig vor Haftungsansprüchen geschützt werden. Dabei übersehen sie oft wie stark Trends, empfohlene Konten und algorithmische Zeitleisten/Feeds das Leben der Menschen und Gesellschaften beeinflussen können.
Der Dialog wird auch durch einen Mangel an Vorstellungskraft erschwert, die uns in schrittweisen Veränderungen gefangen hält. Zu viele Menschen scheinen zu glauben, dass der Status quo mehr oder weniger das Beste ist, was wir erreichen werden. Das hat dazu geführt, dass wir uns in einem Stellungskrieg der inkrementellen Vorschläge festgefahren haben. Große und mutige Vorschläge werden schnell als unrealistisch abgetan.